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PraxisInfo: Starke Kämpfer und sorgende Mütter?

Social Media, Rechtsextremismus und Geschlechterbilder

Rechtsextreme Bilder von Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten sind vor allem geprägt von der Vorstellung einer eindeutigen Zweigeschlechtlichkeit. Was Männer zu Männern und Frauen zu Frauen mache, sei klar umgrenzt und quasi natürlich vorgegeben. Die Frage nach der eigenen Identität, auch in Abgrenzung zu anderen, die besonders junge Menschen beschäftigt, wird so meist einseitig aufgelöst: Männer sind vermeintlich stark, kämpferisch und auf ihre Wirkung nach außen gerichtet, Frauen hingegen schwach, sorgend und zuvorderst für das Familienleben zuständig.

Die Vorstellungen, wie Männer und Frauen zu sein haben, spiegelt sich nicht nur in den Social-Media-Kanälen rechtsextremer Gruppierungen und Einzelpersonen wider. Mehr noch wird gezielt mit Rollenbildern und einer geschlechterspezifischen Ansprache die eigene Propaganda im Netz verbreitet. Besonders eindrücklich zeigt sich dies bei jugendaffinen Plattformen, wie Instagram, die vorrangig auf bildliche Darstellungen setzen.

Das Frauenbild: Zwischen Tradition und rechtsextremen Aktivismus

Traditionell ist die Rolle der Frau im Rechtsextremismus relativ klar umrissen: Sie ist Mutter und Hausfrau und sorgt für das Wohlergehen der Familie. Die ihr zugeschriebene Funktion beschränkt sich dabei häufig auf die Unterstützung der Männer. Diese für den Rechtsextremismus klassische Rollenzuschreibung ist immer noch wirkmächtig. Sowohl in der Onlinepropaganda rechtsextremer Gruppierungen als auch auf den Social-Media-Kanälen von einzelnen Akteurinnen zeigen sich jedoch Brüche.

Von Frauen wird zwar erwartet, dass sie den männlichen Vorstellungen von Weiblichkeit folgen. Ästhetisch entsprechende Bilder von Frauen werden nicht selten im Sinne von „sex sells“ in der rechtsextremen Onlinepropaganda zur Schau gestellt. Dennoch sind sie keinesfalls nur hübsche Projektionsflächen männlicher Fantasien: Auch sie inszenieren sich im Netz zunehmend kämpferisch. Sie zeigen sich beim Work Out oder Kampfsport, bei politischen Aktionen und verknüpfen dies mit rechtsextremen Narrativen: wehrhafte Frauen seien beispielsweise notwendig, um gegenüber einer durch zunehmende Migration vermeintlich wachsenden Bedrohungslage gerüstet zu sein.

Die Aufrechterhaltung des rechtsextremen Frauenbildes befindet sich so in einem Spannungsfeld: Frauen sind einerseits gebunden an tradierte Rollenverständnisse, inszenieren sich über ihre reichweitenstarken Social-Media-Profile andererseits aber auch zunehmend als selbstbestimmte Aktivistinnen.

Männer als "Kämpfer für Volk und Vaterland"

Das Männerbild im Rechtsextremismus ist weniger spannungsreich und ambivalent: Männer sollen den politischen Kampf anführen sowie Beschützer der Frauen, Kinder und des „Volkes“ sein. Eine gesteigerte Rolle spielt in diesem Zusammenhang Kampfsport: Hier docken Rechtsextreme an die wachsende Beliebtheit von Mixed-Martial-Arts (MMA) unter Jugendlichen an. Die darin enthaltenen Bilder von Männlichkeit werden dann mit Elementen rechtsextremer Weltanschauung wie die Notwendigkeit eines "wehrhaften Volkskörpers" verknüpft. Mit Videos und Bildern von Training, Wett- und Straßenkämpfen wird dieses Bild in die rechtsextreme Onlinepropaganda eingespeist.

Es lassen sich jedoch auch Darstellungen eines anderen, eher intellektuellen Typus rechtsextremer Männlichkeit finden. Dessen Kampfarena ist zuvorderst nicht der Boxring oder die Straße, sondern vielmehr der öffentliche Diskurs. Rechtsextreme Medienstrategen und Meinungsmacher inszenieren sich als Speerspitze der „Bewegung“ und können so beispielsweise via Vlogs (Video-Blogs), als politische Kommentatoren, Künstler oder Naturfreunde zehntausende Userinnen und User erreichen.

Rechtsextreme Männlichkeit stellt sich online also unterschiedlich dar: Vom Sportler über den Hipster bis hin zum „Öko“ sind verschiedene Darstellungen vertreten. Für männliche Jugendliche, die auf der Suche nach Vorbildern und Bestätigung sind, ergibt sich so eine Vielzahl an möglichen rechtsextremen „role models“.

Der Erhalt des "Eigenen": Kinder und Familie

In der rechtsextremen Onlinepropaganda spielt Familie eine bedeutende Rolle, wobei Frauen hier eine besondere Wichtigkeit zugeschrieben wird: Sie sollen der niedrigen Geburtenrate entgegenwirken und den vermeintlich drohenden „Bevölkerungsaustausch“ durch „Vermischung“ und „Geburtendjihad“ verhindern. Das oberste Ziel „deutscher Frauen“, im Sinne der rassistischen Ideologie, müsse demnach sein, möglichst viele Kinder mit „deutschen Männern“ zu zeugen.

Das rechtsextreme Untergangsszenario vom "großen Austausch" knüpft dabei an Verschwörungstheorien an: Es bestehe das Ziel, das "deutsche Volk" zu minimieren und letztlich auszulöschen. Migration wird in diesem Kontext als eine planmäßig eingesetzte "Waffe" dargestellt, um demografische Entwicklungen zu beeinflussen. Nicht selten schließt sich an dieses Verschwörungsnarrativ antisemitische Hetze an.

Feindbild Feminismus: Frauen besonders vom Hass betroffen

Rechtsextreme lehnen feministische Positionen grundlegend ab, da sie den eigenen, propagierten Rollenbildern und vermeintlichen Pflichten zuwiderlaufen. Mehr noch wird Feminismus als eine gezielte Zersetzungsstrategie gezeichnet. Das Infrage stellen traditioneller Rollenbilder habe so auch die weitere Schwächung der "Volksgemeinschaft" zum Ziel.

Die Selbstbestimmung der Frau, die Anerkennung vielfältiger Lebensentwürfe oder auch des Rechts auf einen Schwangerschaftsabbruch werden abgelehnt. Menschen hingegen, die sich für feministische Positionen einsetzen, werden im Netz schnell Ziel von Shitstorms und koordinierten Diffamierungskampagnen. Insbesondere Frauen werden online von Rechtsextremen angegriffen sowie herabgewürdigt und erhalten Hassnachrichten bis hinzu Vergewaltigungs- oder Morddrohungen.

Der Hass auf Verschiedenheit: "Abweichung" als Bedrohung

Die rechtsextreme Vorstellung von natürlichen Rollenbildern und Geschlechtsidentitäten führt letztlich dazu, dass alles, was davon abweicht, als widernatürlich abgewertet wird. Die Vielfältigkeit von Geschlechtsidentitäten, Sexualität und Rollenvorstellungen wird grundsätzlich abgelehnt und als "Gender-Wahn" umgedeutet.

Mehr noch: Online werden Userinnen und User, die nicht der rechtsextremen Vorstellung von "starken Männern" und "fortpflanzungswilligen Frauen" entsprechen, angegriffen. Sie werden als vermeintliche Verräterinnen und Verräter am "eigenen Volk" diffamiert oder als "unwertes Leben" in ihrer Menschenwürde verletzt.

Antifeminismus, Homosexuellen- und Transfeindlichkeit sowie Rassismus gehen dabei auch im Netz häufig Hand in Hand. Die vermeintliche „Verschwulung“ der Männer durch Feminismus und "Gender-Wahn", gepaart mit Frauen, die sich traditionellen Rollenbildern nicht fügen wollen, schwäche die Wehrhaftigkeit und öffne einer vermeintlichen "Islamisierung" Tür und Tor. Aus dieser Perspektive zeigt sich letztlich, wie rechtsextreme Narrative unterschiedliche Elemente der zugrundeliegenden Ideologie miteinander verweben und so ein geschlossenes Weltbild konstruieren können.

Unterstützung von Betroffenen notwendig

Betroffene von Hass und Hetze benötigen Unterstützung. Besonders junge Frauen sowie Userinnen und User, die nicht in das rechtsextreme Weltbild natürlicher Geschlechterordnung passen, sind online Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt.
Die Weiterentwicklung konkreter Hilfestellungen und nachhaltiger Angebote zur Beratung sind notwendig, um Betroffene nicht alleine zu lassen und sie zu stärken. Hier tragen auch die Diensteanbieter, über deren Plattformen Hassbotschaften verbreitet werden, eine Verantwortung: In ihren Support-Bereichen können sie beispielsweise direkt auf entsprechende Anlaufstellen verweisen.

Ebenso wichtig sind Schutzmaßnahmen der Diensteanbieter in Bezug auf die Privatsphäre junger Userinnen und User. Dazu gehören sichere Voreinstellungen sowie leicht verständliche und gut auffindbare Einstellungsmöglichkeiten zum Schutz persönlicher Daten. Nicht zuletzt müssen die Diensteanbieter konsequent gegen solche Hassinhalte vorgehen, die gegen die Community-Richtlinien oder rechtliche Bestimmungen verstoßen.

Diversität sichtbar machen und Vielfalt stärken

Rechtsextreme docken mit ihrer zielgruppenspezifischen Inszenierung an jugendliche Fragen nach geschlechtlicher Identität und Sexualität an und bieten klare Orientierung. Umso wichtiger ist es, dass auch in der pädagogischen Prävention diese Fragen mit einbezogen werden. Es geht darum zu vermitteln, dass Geschlechterbilder sehr unterschiedlich sein können, individuelle Freiheiten der Lebensgestaltung nicht nur schützenswert, sondern grundgesetzlich verbrieft sind.

Junge Menschen gilt es  in ihrer Suche nach Orientierung und Identität zu stärken, in Anerkennung ihres Rechts auf Selbstbestimmung. Dazu gehört auch, die Diversität von Lebensentwürfen und -gestaltungen sichtbar zu machen. Ziel pädagogischer Prävention soll sein, dass Kinder und Jugendliche schließlich Vielfalt als wertvoll verstehen lernen.