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Report: Hass, Gewalt und Rechtsrock auf VK

Wachsende Bedeutung für rechtsextreme Propagandastrategie

Die verstärkte Nutzung von VK durch Rechtsextreme ist u. a. darin begründet, dass große Plattformen wie YouTube oder Facebook strafbare Hassbeiträge löschen. Hinzukommend führte das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) dazu, dass rechtsextreme Akteure um eine "störungsfreie" Propaganda fürchten. Sie suchen daher vermehrt alternative Plattformen für ihre Agitation. Das szeneintern häufig zitierte Webangebot "jouwatch" legt z.B. nahe, die Propagandastrategie den Umständen anzupassen und VK zu nutzen: "Die Löschorgien im Netz gehen ungehindert weiter. Täglich werden unzählige Regierungs-, Asyl- und Islamkritiker von Facebook, Twitter und Co. gesperrt und sogar komplette Profile gelöscht."

Während früher vor allem rechtsextreme Einzelprofile bei VK zu finden waren, ist mittlerweile das gesamte Spektrum des Rechtsextremismus auch mit eigenen Seiten vorhanden: Szene-Versandhäuser, Parteien wie NPD und "Der III. Weg", Holocaustleugner und -leugnerinnen, militante Neonazis, sog. "Reichsbürger" und "Verschwörungstheoretiker" oder Rechtsrock-Bands.

Um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, bespielen rechtsextreme Gruppierungen zwar weiterhin in erster Linie die großen Plattformen des Social Webs wie Facebook oder Twitter. VK nimmt in ihrem Social-Media-Mix jedoch eine zentrale Rolle als "zensurfreie" Ausweichplattform ein, um strafbare Inhalte zu verbreiten und sich international vernetzen zu können. Mithilfe von Verlinkungen werden Userinnen und User von den großen Plattformen auf einzelne Beiträge oder Seiten bei VK geführt.

Die Plattform VK in Zahlen

  • VK zählt zu den meistgenutzten sozialen Netzwerken weltweit. Laut einer von jugendschutz.net durchgeführten Analyse mit dem Online-Tool SimilarWeb verzeichnete VK allein im Dezember 2017 2,95 Milliarden Aufrufe, mehr als die Hälfte davon über mobile Endgeräte.
  • Mehr als 63 Millionen Aufrufe kamen aus Deutschland, das Platz 5 der Zugriffe auf VK belegt (als einziges europäisches Land unter den TOP5).
  • Die gestiegene Relevanz insgesamt zeigt auch das deutsche Alexa-Ranking, in dem VK aktuell Platz 9 belegt – 2013 war es noch Platz 244."
  • Schon bei den Zugriffen über Desktop-Rechner ist laut SimilarWeb ein Viertel der Userinnen und User jünger als 25 Jahre.
  • Allein unter den Profilen mit Personenangaben sind mehrere Tausend aus Deutschland, die 14 Jahre oder jünger sind.

 

Schwere Verstöße und rechtsextreme Vernetzung

VK gilt in der rechtsextreme Szene als "sicherer Hafen" – was zahlreiche strafrechtlich relevante und absolut unzulässige Inhalte belegen. Bereits 2013 stellte jugendschutz.net fest, dass VK bei Rechtsextremen als verfolgungsfreier und kaum sanktionierter virtueller Raum für das Propagieren von Hass und Gewalt gilt. Entsprechend massiv waren die von jugendschutz.net dokumentierten Verstöße, die von verbotenen Symbolen über Volksverhetzung, Verherrlichung oder Leugnung des Holocaust bis hin zu brutalen Gewalt- und Tötungsvideos reichten. Aktuelle Recherchen zeigen vergleichbare Ergebnisse: Nach wie vor werden solche Inhalte verbreitet.

Zugleich dient VK als Vernetzungs- und Austauschplattform, auf der sich rechtsextreme Akteure verschiedener Länder in ihrem Hass bestärken. Transnational werden Szene- und Musikveranstaltungen durch militante und terroristische Neonazi-Organisationen wie Blood&Honour, Combat 18 oder die Misanthropic Division beworben. Auch amerikanische Rechtsextreme sind laut dem Southern Poverty Law Center (SPLC), einem Partner von jugendschutz.net im International Network Against Cyber Hate (INACH), in den letzten Jahren verstärkt auf VK präsent.

Diese internationale Vernetzung trägt massiv zur Verbreitung von Hass-Propaganda und zu einem einfachen Zugang absolut unzulässiger Inhalte bei. So finden sich auf Profilen deutscher Neonazis z.B. brutale Gewalt- und Tötungsvideos, in denen russische Neonazis Jagd auf angeblich Homosexuelle oder Fremde machen, ihre Opfer foltern, entwürdigen oder grausam töten. Die Bekanntheit dieser Videos zeigt sich in immer wieder auftauchenden Anspielungen auf die Täter oder einzelne Szenen sowie der Nutzung von Bildern der Opfer für diffamierende und herabwürdigende Memes.

Multimedialer Hass bei VK

VK ist vor allem durch seine multimedialen Nutzungsmöglichkeiten für Jugendliche wie Rechtsextreme gleichermaßen attraktiv. Zahllose Musik- und Filmtitel für jeden Geschmack sind auf der Plattform ohne Alterskontrolle abrufbar und per App mobil konsumierbar. Recherchen zeigen immer wieder Musik- und Videosammlungen mit einem Mix aus Popmusik, Mainstreamfilmen, pornographischen Inhalten und dezidiert neonazistischem Liedgut – auch auf Profilen ohne erkennbaren Bezug zur rechtsextremen Szene. Dies birgt für Jugendliche das Risiko, leicht mit unzulässigen Inhalten konfrontiert zu werden.

Darüber hinaus ist die Plattform für die Szene auch "Propaganda-Bibliothek", über die zahlreiche Publikationen und Materialien abrufbar sind. Als Bild-, PDF- oder Word-Dokument sind hier NS-Schriften und den Holocaust leugnende Traktate zu finden, aber auch Anleitungen zum Verhalten im Bürgerkrieg, Bombenbau oder dem geräuschlosen Töten eines Gegners. Für das in rechtsextremen Gruppen propagierte Bedrohungsszenario des "Rassenkrieges" oder des angeblichen Plns zur "vernichtung der Weißen" werden so Anleitung zur gezielten Gewaltausübung und Terror gegen angebliche Feinde direkt mitgeliefert.

Erste Erfolge gegen Hass-Inhalte

VK untersagt in den Nutzungsbedingungen Inhalte, die "rassischen, religiösen, ethnischen Hass, "den Faschismus oder die Rassenüberlegenheit" propagieren oder extremistische Materialien enthalten – die Realität zeigt hingegen ein anderes Bild. Die Recherchen von jugendschutz.net belegen, dass das Melden von Verstößen an VK durch die Userinnen und User meist ohne Konsequenzen oder eine Reaktion durch den Support bleibt. Von 50 testweise als User gemeldeten strafbaren Inhalten wurde innerhalb eines Tages lediglich ein zu rechtsextremer Hetze genutztes islamistisches Hinrichtungsvideo gelöscht. Gewaltvideos, die Menschenwürde verletzende Bilder oder NS-Propaganda beinhalteten, blieben weiterhin aufrufbar.

Dagegen konnte jugendschutz.net 2017 nach einer Vielzahl an Versuchen über eco – Verband der Internetdienstanbieter, bei dem VK Mitglied ist, einen wirksamen Kontakt etablieren. Dieser führte zu einer Fülle an erfolgreichen Maßnahmen gegen unzulässige Angebote. Allein infolge von Recherchen wurden VK mehr als 250 unzulässige Angebote und Inhalte übermittelt. Anders als bei erfolglosen User-Meldungen konnte hier eine Löschquote von deutlich über 90 % erzielt werden.

Rechtsextreme wähnen sich auf VK frei von Sanktionen

Während Rechtsextreme VK verstärkt in ihre Gesamtstrategie einbinden, zeigt VK kaum Interesse daran, strafbare Inhalte zu löschen, wenn User-Meldungen eingehen. Auch die eigenen Community-Regeln werden effektiv nicht umgesetzt. Zwar konnte jugendschutz.net durch seine nationale sowie internationale Vernetzung in der Vergangenheit Erfolge erzielen, die strukturellen Probleme bleiben auf VK jedoch bestehen: Hasspropaganda und selbst schwerwiegende Verstöße gegen den Jugendmedienschutz wie gegen die eigenen Community-Richtlinien werden nicht verfolgt. Der Betreiber ist hier stärker in die Pflicht zu nehmen, seine Bemühungen zu intensivieren, proaktiv Jugendschutzmaßnahmen auf der Plattform umzusetzen und verstoßende Inhalte zu verfolgen.

VK ist auch deshalb attraktiv für Rechtsextreme, weil anders als bei den bekannteren Plattformen Hass und Hetze wenig Gegenrede erfährt. Ein zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Menschenrechte ist auf VK bislang kaum nachweisbar und wird durch die Untätigkeit in Bezug auf Usermeldungen noch erschwert. So stellt die Plattform eine ungestörte Kommunikationsumgebung für Rechtsextreme dar, in der sie keinen Widerspruch erfahren und sich in ihrem Hass und ihrer Hetze sicher und verfolgungsfrei wähnen.